Wir wollten uns eigentlich nicht mal mehr mailen und das war o.k. für mich. Ich hatte mich abgefunden. Arrangiert.
Wir hatten uns eh nur noch Dinge zu sagen, mit denen wir uns gegenseitig verletzten. Unsere Worte waren meistens wie kleine Splitter, die wir uns gegenseitig ins Gesicht spuckten. Sie hinterließen winzige Kratzer, die erst viel später anfingen richtig zu brennen.
Manchmal bemühten wir uns um einen ordentlichen Umgangston, darum einander mal nichts vorzuwerfen. Dann waren die Worte wie kalter Rauch, den wir uns gegnseitig ins Gesicht bliesen. Nicht gerade angenehm aber alles in allem bedeutungslos.
Mein Handy klingelte, als ich auf der Arbeit war. Die Nummer kannte ich auf den ersten Blick nicht. Würde wohl die Bank sein. Oder G., die mir ein paar ausgemusterte Möbel vorbeibringen wollte.
Ich meldete mich mit meinem Nachnamen.
„Chillkröte, hallo?“
Es war eine männliche Stimme am anderen Ende. Ich glaube sie sagte einfach „Hi.“ Ich weiß es aber nicht mehr. Denn die Stimme war deine. Und ich habe sie zuerst gar nicht erkannt. Weil ich nicht mit dir gerechnet hatte.
Du wolltest dich mit mir treffen. So plötzlich. So einfach. Damit wir uns doch noch ordentlich verabschieden. Damit wir uns ein letztes Mal sehen.
Ich glaube ich sagte einfach „o.k.“ und fragte noch wann und wo. Ich redete mir ein, es sei wirklich einfach „o.k.“ Wie sollte ich „nein“ sagen, wenn du mich um so etwas einfaches bittest. Ich hasste dich ja nicht. Und außerdem, das war die offizielle Version, die ich meinen Freunden und auch mir selbst erzählte, außerdem hatte ich ja abgeschlossen. Und ich wollte, musste für mich herausfinden, wie sich das so anfühlt.
Die Wahrheit, also die vollständige Wahrheit war, dass du mir gefehlt hast. Dass ich die ganze Zeit das Gefühl dich zu vermissen unterdrückte. Dass ich dich einfach sehen, deine Stimme hören wollte.
Wenn ich dir diesen Text gäbe, dann wüsste ich, was du mich fragtest: „Warum das Gefühl unterdrücken. Lass es doch einfach zu!“
Aber ich kann es nicht zulassen. Du bist nicht gut für mich. WIR sind nicht gut füreinander.
Als wir uns trafen wusste ich nicht, was ich erwartete. Auch das habe ich weggeschoben. Ich wollte mit keine Vorstellung machen. Aber ich hatte verdammt viel Angst. Es fühlte sich an, als wäre es auch für dich in Ordnung. Als wären wir irgendwie auf die sichere Seite gelangt. Aber ich vertraute diesem Gefühl nicht. Darum arrangierte ich es so, dass wir uns an einem Ort trafen, der nicht von der Vergangenheit belastet war. Ein Ort, an dem auch andere Menschen waren, damit „es“ nicht außer Kontrolle geraten konnte.
Und dann war alles ganz einfach.
Wir waren zu Beginn beide äußerst nervös. Wie sollten wir denn nun miteinander umgehen. Meine Position war klar. Deine eigentlich auch.
Ein halbes Radler und eine Zigarette später redeten wir einfach. Es war schön. Einfach nur das. Schön.
Und ein unendliches Gefühl der Erleichterung stellte sich bei mir ein. Da war er wieder. Der Typ, der mein bester Freund war, bevor er mein fester Freund wurde.
Wir saßen in der Sonne. Und zwischen uns entstand wieder dieses Band. Das aus Gummi, das uns immer so ein klitzekleines bisschen einander zustreben lässt. Nein, eigentlich ist das kein richtiges Bild. Es ist ein Band, aber es verhält sich wie ein Magnet. Denn je näher wir uns kommen, desto stärker wird die Kraft, die uns zueinander hinzieht.
Ich hatte befürchtet, du willst noch etwas klären. Wirst mir Vorwürfe machen. Wirst wieder fragen warum und warum eigentlich nicht. Wirst versuchen mich zu überzeugen oder zu überreden.
Aber nichts davon.
Und dann war es an der Zeit sich zu verabschieden. Ich habe es dir nicht gesagt, aber wir mussten in verschiedene Richtungen gehen, weil ich mich zu dir hingezogen fühlte. Doch ich hatte meine Entscheidung getroffen. Und sie war gut begründet. Du und ich. Das geht einfach nicht. Es geht nicht. Und es fing an wieder weh zu tun.
Weil es so schön war mit dir. Und so einfach.
Einfach so wie früher.
Ich dachte, das war wohl doch nicht das letzte Mal, dass wir uns sehen. Und ich weiß du dachtest das selbe. Oder haben wir es sogar gesagt? Ich weiß nicht mehr.
Ich ging nach Hause und mein Herz fühlte sich leichter als die ganzen Monate zuvor. Ich fühlte mich gut und wusste schon, dass wird nicht lange so bleiben.
Ich legte mich schlafen und träumte von dir.
Du fehlst mir.
Ich schiebe es weg. Ich lenke mich ab. Und es kommt zurück.
Du fehlst mir.
Ich habe eine Box in meinem Kopf. Immer wenn ich denke „du fehlst mir“ schreibe ich es auf einen kleinen Zettel und stecke den Zettel in die Box. Dann mach ich den Deckel zu und verstaue die Box in einem vollgestopften staubigen Regal in einer dunklen Ecke.
Du fehlst mir.
Doch du bist wer du bist und ich bin wer ich bin.
Auf dem Deckel der Box steht: „Denk an den Schmerz“